Autoren - Adventkalender Oster-Special 2019

Juli Zimmermann

Willkommen hinter meinem Türchen vom:
20.04.

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Auszug aus:

Tierheimgeschichten

Frisch war es an diesem Donnerstagmorgen. Rauch stieg aus dem Schornstein des kleinen Hauses, weil Vera, obwohl es eine Heizung gab, immer noch gerne den kleinen Beistellherd in ihrer Küche nutzte.
Fast anderhalb Jahre wohnte sie nun hier und war für den Tierschutzverein "Verlorenort" zur unersätzlichen Stütze geworden. Sie versorgte und pflegte die alten und kranken Tiere, die der Verein nicht mehr vermitteln konnte und für die im Tierheim nicht der geeignte Platz vorhanden war.

Wie jeden Morgen kochte Vera sich einen Kaffee und öffnete weit die Haustür, um frische Luft herein zu lassen. Sofort erhoben sich die Hunde Emma und Paul, streckten sich ausgiebig und trotteten dann nach draussen.
Paul wurde kurz nach Vera´s Ankunft hier aufgenommen und war in einem schrecklichen Zustand gewesen. Mit unendlicher Geduld und Hilfe von Bruno, dem Tierarzt, war es Vera gelungen, den kleinen Kerl gesund zu pflegen. Jetzt ging es ihm wieder gut und er war zu einem hübschen Junghund heran gewachsen.

Vera sah ihnen kurz nach und trank schnell ihren Kaffee aus, denn die Tiere im Nachbargebäude, all die Hunde und Katzen, Kaninchen und Vögel, warteten schon auf Futter. Daneben gab es noch zwei Schweine, die ebenfalls als winzige Ferkel hier ankamen, sowie drei alte Eselhengste, die niemand mehr haben wollte. Ein paar ausgemusterte Hühner machten die Arche Noah komplett.
Es gab also jeden Tag viel zu tun und darum beeilte sich Vera nun nach nebenan zu kommen.

Sie wollte gerade die Tür zum Tierhaus aufschließen, da vernahm sie ein Geräusch, das an blöckende Schafe erinnerte, nur leiser, fast kläglich. Sie drehte sich um und ließ ihren Blick über das Hofgelände streifen. Alles war wie immer, nichts aussergewöhnliches zu entdecken. Vera glaubte, sich verhört zu haben und öffnete die Tür, vor der sie stand.

Sofort setzte im Innern des Hauses ein ohrenbetäubender Lärm ein, die Hunde, die hier untergebracht waren, bellten und jaulten vor Erwartung und Ungeduld. Vera ging in die Zwinger und öffnete die hinteren Türen zu den Aussengehegen. Die Hunde schossen an ihr vorbei und lösten sich, doch wenige Sekunden später umsprangen sie die Frau schon wieder und forderten ihr Futter. Vera hatte große Mühe, sich jedesmal wieder aus den Zwingern zu drängen und ihre Arbeit fort zu setzen. Aber schließlich waren alle Hunde draussen und sie konnte sich in die Futterküche begeben, um die vielen Näpfe zu füllen. Die lud sie anschließend auf eine kleinen Handwagen und brachte so jedem Hund seine Portion.

Danach waren die Katzen an der Reihe. Es gab mehrere Katzenzimmer, in denen die Bewohner ebenso ungeduldig auf ihre Futterrationen warteten. Hier wurde miaut und geschnurrt, laut klagend gerufen, schließlich stand man kurz vor dem Hungertot. Vera konnte kaum einen Fuss vor den anderen setzen, weil ihr große und kleine Katzen um die Beine strichen. Doch allmählich kehrte auch hier Ruhe ein und man vernahm nur hier und da ein kleines, zufriedenes Schmatzen.

Die Katzenklos wollte Vera später reinigen und so wandte sie sich zum gehen, als sie wieder dieses seltsame Geräusch vernahm. Sie stand auf dem Hof und lauschte angestrengt. Da war es noch einmal, es kam aus der Richtung, wo der Stall für die Esel stand. Vera wollte geradewegs darauf zu gehen, da klingelte ihr Handy.

Es war der Bruno, der Tierarzt, der für Vera zu einem guten Freund geworden war und er klang gar nicht so ruhig und gelassen, wie es sonst seine Art war.
"Guten Morgen Vera, entschuldige, wenn ich so früh störe, aber ich bin in großer Sorge."
"Alles gut, meine Lieber, was hast du auf dem Herzen?", fragte Vera geduldig.
Und dann fragte der Tierarzt, ob Vera eventuell Besuch von einer Gruppe Jugendlicher bekommen hätte. Die hatten nämlich vier kleine Lämmer bei sich, die sie in der Nacht von einer Weide entwendet hatten, weil sie die Tiere retten wollten. Die Jungen und Mädchen glaubten, die Tiere würden als Osterlämmer geschlachtet werden, dabei seien es aber Lämmer einer Rasse, die nicht als Fleischlieferanten dienten.
Und nun waren zwar die Lämmerdiebe gefasst worden, aber sie weigerten sich standhaft, den Verbleib der Tiere zu verraten.

Vera hörte dem Arzt aufmerksam zu, während sie ihren Weg über den Hof zum Eselsstall fortsetzte. Dann öffnte sie die Stalltür und horchte hinein.
"Vera, bist du noch dran?", fragte der Tierdoktor.
Die war inzwischen zu einem der alten Grautiere in die Box gegangen und fand, ganz hinten in der Ecke, dicht zusammengekauert, vier schwarze Lämmchen. Als Vera näher trat, fingen sie alle wie auf Kommando an, lauthals zu blöcken.
"Entwarnung, kannst du sie hören Bruno?"
"Na Gott sei Dank, ich höre sie. Dann komme ich vorbei und bringe sie schnell wieder zu ihren Müttern."

Als Bruno wenig später auf dem Hof eintraf, brachten sie gemeinsam die Lämmer in seinen alten Kastenwagen.
"Ich hoffe, die 'Tierrretter' werden nicht allzu hart bestraft, sie haben es doch nur gut gemeint ", sagte Vera.
"Ich denke nicht und so ein bisschen kann ich die ja auch verstehen", antwortete der Tierarzt. "Wer kann denn solch niedliche Tierbabys essen wollen ?"


Über die Autorin:

Hund Emma von Julie Zimmermann

 Juli Zimmermann
lebt mit ihrer Hündin Emma in einer Kleinstadt in Brandenburg.

Schreiben und Lesen haben ihr Leben schon immer begleitet, nun getraut sie sich, mit diesem Beitrag im Autoren-Adventskalender eine ihrer Kurzgeschichten zu veröffentlichen.

In ihrer Freizeit kümmert sie sich liebevoll um ihren kleinen Schrebergarten, hat kürzlich ihre eigene Schreibgruppe gegründet und arbeitet aktuell an einem Roman mit historischem Hintergrund.

Aus einem bewegten Leben und dank ihren vielseitigen Interessen, findet sie so immer wieder neuen Stoff für spannende Geschichten.

 

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