Wolfgang:
"Das Äußere soll euch diesmal nicht abhalten am Innern Freude zu haben. Bis Ostern liegt noch manches schwer auf mir."
Osterspaziergang
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick. Im Tale grünet Hoffnungsglück. Der
alte Winter in seiner Schwäche zog sich in rauhe Berge zurück. Von dorther sendet er, fliehend, nur ohnmächtige Schauer körnigen Eises in
Streifen über die grünende Flur. Aber die Sonne duldet kein Weisses. Überall regt sich Bildung und Streben, alles will sie mit Farbe beleben. Doch
an Blumen fehlts im Revier. Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen nach der Stadt zurückzusehen! Aus dem hohlen, finstern Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heute so gern. Sie
feiern die Auferstehung des Herrn, denn sie sind selber auferstanden. Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, aus Handwerks- und Gewerbesbanden, aus
dem Druck von Giebeln und Dächern, aus der Strassen quetschender Enge, aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh, wie behend sich die Menge durch die Gärten und Felder zerschlägt, wie der Fluss in Breit und Länge so manchen lustigen
Nachen bewegt, und, bis zum Sinken überladen, entfernt sich dieser letzte Kahn. Selbst von des Berges ferner Pfade blinken uns farbige Kleider an Ich
höre schon des Dorfs Getümmel. Hier ist des Volkes wahrer Himmel. Zufrieden jauchzet gross und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!
Selbstverständlich gab es gewisse zeitliche Schwierigkeiten, Wolfgang & Emanuel persönlich um diese ihre Beiträge zum Osterspecial zu bitten. Falls es
bis zu dieser Stelle tatsächlich irgendjemand noch nicht glasklar geworden sein sollte, dem sei es mit Wolfgangs eigenen Worten erläutert:
„Willst duden März nicht ganz verlieren, so lass nicht in April dich führen. Den ersten April musst überstehen, dann kann dir manches Gute geschehen.“
Ein Ostersonntag am ersten April, was soll man heute bloß tun: Friede, Freude, Eiersuchen oder wüster Schabernack
und Scherz? Was für ein Tag: „Zwei Seelen wohnen, ach!, in seiner Brust.“
Auch darum bin mir sicher, Wolfgang hätte gegen diesen seinen Gastbeitrag zwischen den jungen Autoren nichts einzuwenden gehabt. So jonglierte er
selbst doch gerne mit der Bedeutung der Feiertage, wie das Haseneier-Suchen am Gründonnerstag. Jedes Jahr lud er an diesem Tag Kinder in seinen Garten ein, wo er für
sie Eier versteckt hatte. Damit begründete er eine eigene Tradition, in Weimar ist dieser Brauch bis heute lebendig. In diesem Sinne:
"Osterspaziergang" aus: Faust 1 & Zitate von Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), deutscher Dichter
"Die Liebe gleicht dem April" & "Das Herz hat auch seine Ostern" von Emanuel Geibel (1815 - 1884), deutscher Lyriker und Dramatiker
Auf baldiges Wiedersehen und Wiederlesen mit ansonsten zeitgenössischen Autoren und neuen Texten, spätestens zum 1.12. im Autoren-Adventskalender.
|
Emanuel:
|
Die Liebe gleicht dem April
Die Liebe gleicht dem April: Bald Frost, bald fröhliche Strahlen,
Bald Blüten in Herzen und Thalen, Bald stürmisch und bald still,
Bald heimliches Ringen und Dehnen, Bald Wolken, Regen und Thränen -
Im ewigen Schwanken und Sehnen Wer weiss, was werden will!
|
Das Herz hat auch seine Ostern,
wo der Stein vom Grabe springt, den wir dem Staub nur weihten.
Und was du ewig liebst, ist ewig dein.
| |
|
|
|