Monsterschiff am Horizont

Maritime Kurzgeschichte zum Weltwassertag

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Sonniger Himmel, Wellen und kleine Schiffe am gebogenen Horizont
Schiffe am Horizont

Diese Shortstory ist Teil der Gemeinschaftslesung zur Eröffnung des Literaturfestivals Gastgeber Sprache am 5.4. sowie Beitrag zum Weltwassertag am 22.3. im Osterkalender 2024. Ursprünglich geschrieben anlässlich Papyrus Seitenwind 2023.


Intro zum Osterspecial:
Wasser für den Frieden: Das Motto des Weltwassertags 2024 lautet 'Water for peace'. Denn Wasser kann Frieden schaffen oder Konflikte auslösen.

Bei den traditionellen Ostermärschen finden auch dieses Jahr viele Menschen zusammen, wie unzählige Tropfen, die eine große Welle für den Frieden erzeugen möchten.

In diesem Sinne ist meine Geschichte von der kleinen Welle am Weltwassertag im Osterkalender auch ein Gleichnis: passend und verbindend zu beiden Anlässen.


Intro zur Gemeinschaftslesung mit dem Motto 'Lesen, erleben, träumen':
Wir lesen. (Pause) Da wären Sie jetzt nicht drauf gekommen, nä?

Meistens geht es beim Lesen um Menschen. In meinen Büchern erleben Menschen oft etwas auf Schiffen und gelegentlich haben Objekte, wie das Schiff, einen Charakter.
Aber nie die Kulisse.
Was wohl das Meer darüber denkt, wenn meine Geschichten es durchfahren?

Manchmal sollte man die Perspektive wechseln, darum träume ich mich selbst nun erstmals als kleiner Teil des Ozeans:

Maritime Kurzgeschichte

Monsterschiff am Horizont

»Passt alle auf, da kommt schon wieder eines!«
»Warum brüllst du so, kleine Welle?«, fragte der warme Südwind, gelassen über die Meeresoberfläche schlendernd.
»Da ist ein Schiff am Horizont!«
»Na, und?«
»Das verstehst du nicht.«
»Dann erzähle es mir, damit ich es verstehe«, säuselte der Wind und weil mir sonst doch niemand zuhörte, platzte das ganze Leid aus mir heraus:

»Warum? Weil diese Dinger Monster sind und keiner was dagegen tut. Bereits beim Anblick einer Mastspitze vor der Sonne oder eines Schornsteins, der zwischen Wolken über die Erdrundung schielt, glitzere ich nervös hin und her. Denn es ist mir früher bereits passiert. Dieser Schmerz, als einst ein scharfer Bug mich zerteilte! Meine andere Hälfte verschwand im panischen Gedränge, seitdem lebe ich ein halbiertes Dasein. Ob ich als Viertel meiner selbst auch noch existieren könnte? Ich will es nicht erfahren. Das hat keine von uns verdient. Wir müssen uns wehren!«

Größere Darstellung derselben Schiffe am Horizont
Wir müssen uns wehren!

Meine Schwestern tänzelten, kräuselten, hüpften milliardenfach um mich herum, eine jede in ihrem eigenen Spiel, sahen sie die Gefahr nicht? Warum ignorierten sie mein warnendes Plätschern?
Ich drängte mich hektisch gegen die nächsten Nachbarinnen, dehnte mich aus, soweit meine Oberflächenspannung reichte, und rief dem Wind zu: »Ja, es gelingt, sie öffnen sich, wir verschmelzen!«

Zu dritt vereint bäumten wir uns auf, ein kleiner Gischtkamm entstand, kräuselte kurz planlos auf uns herum und brach in sich zusammen.

»Puh«, jammerte eine Schwester mit meiner Stimme, mitten aus mir heraus und ich spürte, wie ihre Tropfen sich von meinen lösten. Neben mich geflossen, erklärte sie wieder im eigenen Tonfall: »Mehr schaffen wir doch nicht.«
»Das ist mir auch zu anstrengend«, meinte die Zweite, dümpelte unauffällig seitlich aus mir heraus und davon.
Sie hinterließ eine tieftraurige Leere in meiner ohnehin schon halbierten Seele.

»Es gibt Gerüchte, anderen sei es gelungen. Sie sollen sogar, mit Millionen ihrer selbst verschmolzen, nicht nur Schiffe versenkt, sondern ganze Uferstädte verwüstet haben. Doch meine Schwestern verstehen nicht, dass wir gemeinsam stark sein könnten. Ich kriege nicht mal drei zusammen. Sie glauben, das sei Seemannsgarn«, erklärte ich.

Nachdenklich schüttelte der Südwind ein paar winzige Wolkenfetzen am strahlend blauen Himmel.
»Da kann ich dir heute leider nicht helfen. Ich bin viel zu nett. Aber ich werde meinen wilden Bruder fragen, den Nordweststurm. Wenn er deine Schwestern zusammentreibt, rennen sie gewiss begeistert ineinander und wachsen über sich selbst hinaus. Glaub mir, beim nächsten Schiff wird alles anders.«

Die Gefahr am Horizont hatte unbemerkt von uns beiden ihren Kurs geändert und war hinter irgendeinem Rand der Erdkugel verschwunden. Für diesmal ging es glimpflich aus. Erleichtert reihte ich mich in den Reigen der anderen ein und entspannte unter dem Streicheln des warmen Lufthauches.

Der Südwind hatte nicht zu viel versprochen. Zwei Tage später, pünktlich als der nächste Schiffsaufbau drohend über den Horizont kroch, kam eine steife Brise auf und verkündete den nahenden Auftritt des berüchtigten Sturmes aus Nordwest.
Mir wuchs vor Aufregung ein modisches Wellenkämmchen, kurz bewunderte ich mein ungewohntes Aussehen in der Wasserspiegelung und dann war er da.

Aufgewühltes, dunkles Wasser mit Schaumkronen
Mir wuchs vor Aufregung ein modisches Wellenkämmchen.

Die aus dem Norden machen ja nie viele Worte, der Sturm erfasste uns ohne Gruß oder Fragen von einer Sekunde zur anderen.

Meine unzähligen Schwestern hüpften begeistert auf und ab, drückten sich gegeneinander und flossen zusammen wie ein Bienenschwarm, der aus vielen Kleinen ein neues Ganzes formt. Meine Ohnmacht wandelte sich zu unbändiger Macht. Nähere und fernere Wellen gesellten sich von außen hinzu und pressten von unten herauf. Ich fühlte meine einzelnen Tropfen nicht mehr, wir wurden eins und wuchsen.

Einen Meter. Acht Meter. Zehn Meter. Zwanzig Meter?
Als Welle bin ich noch schlechter im Schätzen von Metern als so mancher Schiffer in seinen Anekdoten. Was jener unglückliche Kapitän, der geradewegs auf uns zusteuerte, wohl in diesem Moment schätzte?

Meine Schwestern hoben mich in den Himmel, fast zwischen die Wolken, ich konnte dem Nordwester direkt ins Sturmauge sehen und er zwinkerte mir zu. Ganz oben vom Kamm, just während wir donnernd und brausend über dem Schiff einbrachen um es zu verschlucken, jubelte mein leises Stimmchen: »Yeah! Ich bin die Monsterwelle!«

Dummerweise flutschte ich im Übereifer durch einen sich vom Druck schließenden Türspalt in die Schiffskabine und ging in jener Wassermasse auf, die auf ewig im Wrack herumwabern würde.
Ich wurde nie wieder eine Welle. Nicht mal ein Viertel davon.

Der Südwind strich jahrhundertelang vergeblich freundlich suchend übers Meer, um mich zu fragen, ob alles geklappt hatte.

Mehr davon?

Hat dir die Geschichte der kleinen Welle gefallen? Dann entdecke mehr dieser Art: in meinen Büchern.

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